Irgendwie liebe ich das Fahren mit der Bahn, nicht wegen der Unpünktlichkeit welche einen in spannende Abenteuer in Bahnhöfen ohne Namen übernachten lässt. Nein, es sind die Leute die drinne sitzen. Man kann sie beobachten und sie können nicht weglaufen, zumindest bis zur nächsten Ausstiegsmöglichkeit.
So geschehen auch auf meiner Fahrt von Kiel nach Würzburg. Zunächst machte mich das immer gleichbleibende Geräusch des InterCityExpress 927 mit Endstation Nürnberg fast schläfrig, doch mir fiel ein, dass mir nicht viel Zeit blieb um die um mich Sitzenden zu beobachten, denn ab Hamburg-Dammtor gehts weiter mit dem ICE 881 Richtung München.
Neben mir, also auf dem Fensterplatz auf der anderen Seite, sitzt die typische Endfünfzigerin, kurze graue Haare, strenge Brille, vertieft in die “Die Zeit der Sternschnuppen”, irgendeine Empfehlung aus der Brigitte wahrscheinlich. Ihr roter Strickpullover und der bunte Schal, sowie die akkurat geputzten schwarzen Lackschuhe versprechen nichts Aufregendes, vielleicht ein Verwandschaftsbesuch.
Direkt vor ihr der typische Informatikstudent, winterfeste Jacke (von Mutti ausgesucht), mit Sorgfalt am Haken aufgehängt. Einzelgänger, legt die Laptoptasche neben sich und klappt den Esstisch runter, um sein Netzteil vom Notebook und eingepackte geschmierte Stullen daneben. Bloß keinen neben sich lassen! Notebook wird angeschaltet, im Hintergrund erscheint eine Berglandschaft; Träume, Ausgleich oder Ziel dieser Reise für den jungen Studenten?
Nächster Halt Neumünster, hier wirds bei den Zugestiegenen optisch schon alternativer, Vollbart und Treckingrucksack – geht aber ein Abteil weiter. Sonst ist niemand im Blick, außer einem älteren Ehepaar, das sich nix mehr zu sagen hat und jeweils in die aktuelle Ausgabe der Kieler Nachrichten vertieft ist. Titelthema:
, erinnert daran, dass ich dort wohne, wo andere Urlaub machen – zumindest im Sommer. Nachher gibt es sicherlich in Tupperboxen aufbewahrte Apfelstücke und dazu Kaffee aus der Thermoskanne, nachher, wenn ich nicht mehr da bin.
Schaffnerin knipst mein “58€-Tchibo-Ticket” mit dem Zielbahnhof in Unterfranken ab: Draußen liegt Nebel über der vorbeirauschenden flachen Landschaft, wo einzig und allein die Windkrafträder für Action sorgen, teilweise liegt Schnee. Von Kiel nach Dammtor ganze sieben Minuten Verspätung, gut das ich eh 20 Minuten Luft habe. Während der Wartezeit sticht mir der Automat mit Kaffee und Naschkrams ins Auge, vielmehr die Herstellerfirma “Geile Warenautomaten GmbH”…
Der nächste ICE ist von der älteren Sorte, etwas schmuddelig, aber ich will mich ja nicht beschweren, ist mir doch vorher dafür das Gerüttel der Regionalbahn erspart geblieben. Und vielleicht hätte ich das mit dem Leute beobachten vorhin nicht so betonen sollen, denn jetzt sitzt schon wieder an gleicher Stelle dieser Informatikstudent, zumindest von dem ich glaube , das er das studiert, Mathe oder Physik würden auch passen, bei der akkuraten Kurzhaarfrisur, der tristen Brille und den schwul übereinander geschlagenen Beinen, kein Womanizer war eh klar – Schubladendenken…
Während ich mich der Erstausgabe der deutschen Vanity Fair widme (Inhaltsangabe auf Seite 22, Leserbriefe auf Seite 35 und erster Text auf Seite 39, davor und dazwischen NUR Werbung – irgendwie muss ja der 1€-Startpreis zustande kommen), wird irgendwo bei Hamburg-Harburg auch der Platz neben mir besetzt. Eine junge Frau, so Anfang bis Mitte 20, die auch gut in ihren riesigen Trolley gepasst hätte, ist also ab sofort meine Begleitung, nachdem ich “gentleman-like” ihr Gepäckstück auf die obere Ablage gehievt habe. Ihre Bitte wurde in gebrochenen Deutsch, fast polnisch (würde ich jetzt mal behaupten) vorgetragen mit einem Fingerzeig nach oben, das kann manN natürlich nicht ausschlagen. Danach war der einzige noch folgende Wortwechsel während der Fahrt “Oh, ich auch!” mit Blick auf mein Tchibo-Ticket. In Hannover ist sie dann auch schon wieder umgestiegen, um nach Frankfurt/Main zu fahren.
Da fällt mir ein, dass das “Aufs-Klo-Gehen”, wenn man alleine mit der Bahn reist und viel Gepäck dabei hat echt schwierig ist, entweder sitzen um einen herum nur komische Leute denen man alles zutraut oder man hat zum Sitznachbar noch nicht das Vertrauen gefasst, das er auf die Sachen aufpassen würde. Nachdem dann meine neue Sitznachbarin irgendein Buch aus der Bestsellerliste der Frauenromane las und nur einmal durch einen nervigen Klingelton und das daraus resultierende Gespräch auffiel, wartete ich dann doch auf ihre Nachfolgerin,um endlich das WC* aufzusuchen , es war eine Endfünfzigerin mit kurzen Haaren…
*Spruch im WC von der DB:”Bitte verlassen sie die Toilette, wie sie sie vorzufinden wünschen” – Soll ich auch noch Saubermachen, oder was?
Sehr treffende Beschreibung, ich CO2-Schleuder bevorzuge dennoch die gepflegte gutmotorisierte Langstreckenfahrt…
Mich bringt der Sekundenschlaf davon ab die 600 Kilometer mit dem Auto abzureißen… außerdem bringt die Rückfahrt im Zug Morgen sicher ne neue Story :-)
Aber wenn Du mal Richtung Würzburg fährst fahr ich gerne mit!
Sekundenschlaf? Dagegen hilft durch angepasste Fahrweise seinen Adrenalinspiegel immer schön hoch zu halten…