Der 27-jährige Holger Schilling, Diplomdesigner mit Schwerpunkt Fotografie, hat für sein Bildband “Bastionen – Vergessene Festen Vergessener Systeme” einsame Bahnhöfe in Ostdeutschland fotografiert. Jede Menge Bildmaterial und ein Interview mit dem angehenden Master in Informationdesign bei uns. Dazu gibt es natürlich ein paar Einblicke in sein Werk:
Du wohnst im fränkischen Würzburg, wie kamst Du auf die Idee ausgerechnet in Ostdeutschland verlassene Bahnhöfe zu fotografieren?
Während meinem Studium kam irgendwann einmal der Punkt an dem ich mir darüber klar werden musste wo ich mit meiner Fotografie überhaupt hin will. Ich musste dann einfach raus aus Würzburg und wollte einen Freund in Berlin besuchen. Auf dem Weg dahin habe ich mich schließlich in diese Bahnhöfe verliebt.
Vielleicht ist die Vorstellung ja sehr naiv und romantisch aber die Fotografie wie sie heute, im Zeitalter der Digitaltechnik ist, entspricht nicht mehr meinen Ansichten darüber. Nicht dass ich Werkzeuge wie Photoshop nicht zu nutzen und zu schätzen weiß, jedoch bin ich der Meinung dass gute Fotografie vor allem zwei Dinge braucht: Zeit und technisches Verständnis. Zeit weil ich der Meinung bin dass man sich mit dem zu fotografierenden Objekt auseinandersetzen muss und Verständnis für die Technik erreicht man eben nicht wenn man die Fotografie mit einer Digitalkamera erlernt. Da sollte man schon mal in totaler Dunkelheit in der Chemie gestanden haben.
Der Würzburger Hauptbahnhof gilt, auch aus meiner Sicht, als einer der häßlichsten in Deutschland – stimmst Du mir da zu und was könnte dort geändert werden?
Der Würzburger Hauptbahnhof ist tatsächlich einer der hässlichsten die ich je gesehen habe und im Gegensatz zu den Bastionen, die ja auch nicht gerade Schönheiten sind, schafft es der Würzburger Bahnhof auch nicht wenigstens charmant zu sein. Was man damit machen könnte? Abreissen…
Gibt es unter den fotografierten Bahnhöfen einen, der für Dich einen ganz besonderen Charme ausgelöst hat, einen an dem Du gerne als Zugreisender gerne aussteigen würdest?
Natürlich gibt es Bahnhöfe in der Serie die mir besonders gut gefallen. Bei vielen liegt es daran dass sie auch als Einzelbild und Stellvertreter für die Serie dastehen könnten. Im Großen und Ganzen bedeutet mir aber jeder davon sehr viel. Es sind so schön einsame und ruhig Orte an denen viel Zeit zum Nachdenken ist und immerhin habe ich mich mit jedem Einzelnen davon eine ganze Zeit lang beschäftigt.
Wie kommt man eigentlich zu den ganzen Bahnhöfen und wie lange hast Du für alle Aufnahmen gebraucht?
Ich habe alle Bahnhöfe mit dem Auto gesucht und gesucht ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. Teilweise haben Karte und Navi gleichzeitig versagt und die Fahrten da hin sind als abenteuerlich zu bezeichnen. Für die Aufnahmen selbst habe ich mit der Arbeit in der Dunkelkammer ungefähr fünf Monate gebraucht, ohne Ideensammlung, Konzept, Buchgestaltung,…
Kann man den Bildband “Bastionen – Vergessene Festen Vergessener Systeme” auch käuflich erwerben?
Da das Buch noch nicht veröffentlicht wurde und ich es nicht in großen Stückzahlen produzieren kann wäre ein Exemplar zwar käuflich zu erwerben, aber wahrscheinlich einfach zu teuer. Die Bilder verkaufe ich jedoch einzeln und als Serie und wer trotz hoher Preise ein Buch erwerben will soll einfach mal anfragen.
Mit welchem Material hast Du die Bilder geschossen?
Die Bilder habe ich mit einer Silvestri T30 mit Rodenstock Apo Grandagon 35mm auf Kodak Portra 160NC 6x8cm aufgenommen. Alle Bilder sind Handabzüge auf 30 Jahre überlagertem Farbpapier im Format 40x60cm. Nach meinem Konzept wollte ich den Bahnhöfen eine Bühne schaffen die ihrer Ästhetik entspricht um den Eindruck den sie bei mir hinterlassen haben zu vermitteln.
Auf vielen Seiten wurde schon von Deinen Bildern berichtet, welche Aussagen sind dabei nicht ganz korrekt?
Hauptsächlich sind es Mutmaßungen über die Machart der Bilder was nicht so schlimm ist. Schwierig wird es finde ich, wenn es sich so anhört als hätte ich gesagt die Bilder seien auf diese oder jene Art entstanden und jeder der sich etwas auskennt sieht dass dem nicht so ist. Ebenfalls weniger schön ist es wenn Angaben über die Person nicht stimmen oder keine Verlinkungen vorhanden sind.
Auf welcher Zugstrecke würdest Du am liebsten fahren, um neue Bilder zu machen?
Wirklich fertig wird die Serie nie werden, insofern wird mein Interesse weiterhin den Zugstrecken der ehemaligen DDR gelten. Nicht dass ich den Rest meines Lebens nur noch Bahnhöfe fotografieren will aber eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn bringt denke ich einen ganzen Katalog an solchen Bildern.
Danke für das Interview!
Hallo Holger Schilling!
Gerne hätte ich die bahnhöfe, die Dir bekannt sind als verkäuflich mit ihrer Ortsangabe und ihrem bild/ihren bildern in meiner E-Mail-Box!
Liebe Grüße aus Berlin
Herr Schilling geht mit seinem Werk neue Wege auf bekannten Bahnen! Bewunderswert und Beängstigend zugleich! Ein junger Mensch voller Leben in einer verwelkenden Welt! Dieses Glanzstück zeitgenössischer Kunst erinnert an die Vergänglichkeit von Bindungen! Doch die Kernaussage ist zwischen den Seiten zu finden! So waren die einzelnen Bastionen frührer Stationen in einem großen Netzwerk und durch ihre Verbundenheit jede für sich ein strahlender Stern einer großen Galaxy! Nun, da ihnen das Netz genommen wurde sind alle dazu verurteilt allein zu bleiben und zu verfallen.
Was ich damit sagen will ist also: Holli, wann mach ma denn mal wieder Klassentreffen?
Sehr imposant Herr Schilling,
die alten Bastionen sind wirklich einzigartig in Szene gesetzt. So bizarr und unwirklich sie erscheinen, so nachdenklich stimmen sie den Betrachter. Die Technik hierfür ist wirklich brilliant umgesetzt und zeugt von wahrem Talent.
Ich würde mir gern einen Schilling in mein Foyer hängen.