Ausweg, los!

In Geschichten gibt es immer Getränke, Bier am Strand, Kakao auf dem Balkon, Cocktails in der Bar – und wenn nicht, dann trinkt der Autor beim schreiben seinen Schnaps. Doch in der Regel fängt der Tag mit Kaffee an, jede Geschichte sollte mit Kaffee anfangen. Die Protagonisten werden dann in der Regel wach und die Geschichte nimmt Fahrt auf. Es beginnt ein resümieren über die letzte Nacht oder das Toast vor der Arbeit springt auf den Teller.

Nehmen wir Letzteren Fall: der Mann, der seinen Weg zum Dienst antritt, der ohne durchzechte Nacht. Mit dem ersten Wecker fällt er aus dem Bett, unmotiviert putzt er sich die Zähne und verweigert selbst beim Rasieren den Blick in den Spiegel. Rein in die gebügelte Stoffhose, Kurzarmhemd an und raus zur Bushaltestelle. 8.31 Uhr ist Abfahrt, er kommt frühestens zwei Minuten vorher. Er will nicht reden, nicht mit der Tochter seiner Nachbarin, die zur Förderschule fährt und in der Regel pinke Leggins um ihre säulenartigen Oberschenkel schnürt, nicht mit dem alten Herrn der seinen voll Leergut triefenden Jutebeutel über seiner Anglerweste trägt und erst recht nicht mit dem schwarzen Mann. Dunkle Haut, dunkle Jacke und dunkle Augen, davor hat er Angst. Zumindest ein wenig, eigentlich sind sie ihm alle egal.

flickr.com - Maulim
flickr.com – Maulim

Er zieht seine Karte durch die Zeiterfassung, im Büro flackert der Monitor beim Einschalten und er hängt seine Jacke an den Haken. Zählt seine drei Kugelschreiber und wischt kurz über seine Tastatur. Nachdem er eine Stunde auf das Bild mit der Vase, ein Geschenk seiner Mutter, gestarrt hat, schaltet er seine Kaffeemaschine an. Schwarz, ohne Milch und Zucker, so wie jeden Tag. Ein echtes Highlight, Tag für Tag. Punkt zwölf wickelt er die Stulle aus dem Brotpapier und schaut anschließend wieder an die Wand, auf die blaue Vase ohne Blumen. Um 15 Uhr schaltet er die Leuchtstoffröhre über sich an, sitzt im gleißenden Licht und sortiert seine drei Kugelschreiber.

Fünf Tage die Woche der gleiche Ablauf, immer wieder und wieder. Nur am Wochenende, da blättert er durch die Stellenanzeigen der lokalen Zeitung. Er ist seit drei Jahren arbeitslos.